Gott hat es mir gesagt
Fehlgeleitete Hoffnung entsteht, wenn wir glauben, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen nicht mehr auf die Hinlänglichkeit der Bibel vertrauen müssen.
von Paula Higuchi
Lesezeit – 5 Minuten
In meiner Seelsorgearbeit berichten Ratsuchende häufig von ihren Erfahrungen, dass Gott zu ihnen spräche. Und zwar unabhängig davon, was die Bibel konkret offenbart. Aufgrund eines (ihrer Meinung nach von Gott stammenden) Eindrucks, schließen sie auf Gottes Willen. Dies bemerke ich, wenn ich Fragen stelle wie: „Warum hast du dich dafür entschieden? Warum glaubst du, dass das geschehen wird?“ Ich habe schon viele Antworten erhalten, u.a. folgende:
„Gott spricht in Träumen zu mir. Ich hatte einen Traum, in dem ein Freund aus der Gemeinde sauer auf mich war. Ich liebe meine Gemeinde, aber nach diesem Traum wusste ich, dass es für mich an der Zeit ist, mir eine neue Gemeinde zu suchen.“
„Ich habe 10 Jahre lang für einen Ehemann gebetet. Gott sprach zu meinem Herzen, als ich in meinem Lieblingsrestaurant war. Er sagte mir, dass ich dort meinen Mann finden würde. Eine Woche sprach mich dort ein Mann an, lud mich auf ein Date ein und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Ich war mir nie ganz sicher, wie seine Gottesbeziehung aussieht, aber ich wusste, dass es Gottes Wille war ihn zu heiraten, weil Gott zu mir gesprochen hatte.“
„Ich war mit meinem Leben in Kalifornien unzufrieden. Ich hatte dort zwar eine tolle Gemeinde, ein tolles Zuhause und einen tollen Job, aber auch das Gefühl, dass es noch etwas anderes für mich gäbe. Jedes Mal wenn ich darüber betete, mich auf etwas Neues einzulassen, spürte ich einen überwältigenden Frieden von Gott, dass es das ist, was ich tun solle. Eines Tages als ich am Strand spazieren ging, sah ich eine Wolke, die wie der Bundesstaat Texas aussah. Ich wusste einfach, dass das ein Zeichen Gottes war. Meine Freunde und meine Familie versuchten mir den Umzug auszureden, aber ich wusste, dass Gott zu mir gesprochen hatte. Also zog ich im darauffolgenden Monat um.“
„Gott hat mir gesagt, dass ich dich bitten soll das nächste Gemeindepicknick zu organisieren. Ich hoffe, du wirst mir zusagen.“
„Gott hatte es mir ans Herz gelegt und mir gesagt, dass ich in der Gemeinde eine Jugendarbeit gründen solle. Ich war sehr enttäuscht, als meine Pastoren sagten, dass wir eine andere Richtung einschlagen würden.“
Die Ratsuchenden sind dann überzeugt, dass Gott zu ihnen gesprochen hat und diese Erfahrung Gewicht und Autorität in ihrem Leben hat. Diese Entscheidungen führen zu Verwirrung und unnötigem Schmerz in ihrem Leben und ihren Beziehungen. Manchmal lähmt oder entmutigt den Ratsuchenden die ständige Sehnsucht nach neuen Erfahrungen und das Warten auf ein Zeichen Gottes, wenn Gott scheinbar schweigt. Es kann sein, dass ein Ratsuchender sich wirklich danach sehnt Gottes Willen zu verstehen. Aber in seinem Leben als Christ hat er gelernt daran zu glauben, dass er einen direkten Draht zu Gott haben sollte, mittels dem er ihn „sprechen hört“.
Da diese Erfahrungen so persönlich sind, ist es wichtig behutsam und liebevoll vorzugehen, wenn man versucht, die Sichtweise eines Ratsuchenden hinsichtlich der Einzigartigkeit der Bibel als Gottes Wort zu verändern. Im Folgenden werden vier Kategorien vorgestellt, anhand derer man einordnen kann, worauf ein Ratsuchender seinen Fokus legt:
Berauschende anstelle von fester Nahrung
(Hebräer 5,12-14)
Langsames, methodisches und bewusstes Wachsen in der Erkenntnis Gottes und seines Wortes kann sich langweilig anfühlen, verglichen mit der sofortigen Unterhaltung, welche uns in diesem digitalen Zeitalter geboten wird. Die heutige Welt will uns glauben machen, dass das Leben einfach sein sollte und wir ein Recht auf ein bequemes Leben hätten. Da klingt es nicht besonders reizvoll, darüber zu sprechen, etwas trainieren und üben zu müssen und sich den Herausforderungen zu stellen, die damit einhergehen, wenn man etwas Neues lernt.
Mit dieser Art des Denkens dürfen wir uns nicht abfinden. Damit würden wir uns mit weniger zufrieden geben, als mit dem glorreichen Streben, Gott auf den Seiten der Bibel zu erkennen und von ihm gekannt zu werden. Der Schreiber des Hebräerbriefs drückt es so aus, als würden wir uns mit Milch, wie kleine Kinder, zufriedengeben, anstatt mit dem Festmahl, welches uns erwartet, wenn wir unsere Geschmacksnerven für die Herrlichkeit Gottes aufwecken.
Begierden anstelle des verkündeten Wortes
(Sprüche 3,5-6; Jeremia 17,9-10)
Den Reiz der Unterhaltung an die Stelle des sorgfältigen Studiums zu stellen, hängt auch damit zusammen, dass unser (nicht an Christus gebundenes) Herz aus betrügerischen Begierden besteht. Das macht es nur allzu leicht, auf das zu vertrauen, was wir wollen und fühlen, anstatt uns auf das zu verlassen, was Gott in seinem Wort sagt. Wir entscheiden uns dafür, Gottes Wort zu umgehen, anstatt unsere Begierden herauszufordern und zu verändern.
Erfahrungen anstelle völlig ausreichender Verheißungen
(2. Petrus 1; Hebräer 1,1-2)
Fehlgeleitete Hoffnung entsteht, wenn wir glauben, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen nicht mehr auf die Hinlänglichkeit der Bibel vertrauen müssen. Damit sollen die Lebenserfahrungen eines Menschen und die Früchte daraus, wenn man aus der Vergangenheit lernt, nicht geschmälert werden. Aber unsere persönliche Erfahrung sollte niemals unsere Autorität sein oder eine Autorität, die wir anderen auferlegen. Petrus berichtet von seiner Erfahrung, als er Gott auf dem Berg der Verklärung sprechen hörte (2. Petrus 1,17-21). Anstatt die Gläubigen aufzufordern, dies als Maßstab zu nehmen, verweist er sie auf die Verheißungen der Bibel, um sie vor Irrlehren zu bewahren. Gott hat in diesen letzten Tagen durch Christus, das fleischgewordene Wort, zu uns gesprochen. Daher hat die Bibel das letzte Wort, wenn es darum geht, wie wir unsere Erfahrungen einschätzen können, statt dass unsere Erfahrungen die geistliche Führung und den Maßstab der Wahrheit vorgeben.
Das Gewissen als Schutz, Gottes Wort muss leiten
(2. Timotheus 3,16-17; Hebräer 4,12)
Es gibt Zeiten, in denen sich das Herz eines Menschen dem zuwendet, was bibeltreu ist, als Resultat eines biblisch orientierten Gewissens. Dies ist ein hilfreicher Schutz, sowie ein Geschenk des Herrn. Ich könnte beispielsweise auf die Idee kommen, am Sonntag ein niedergeschlagen wirkendes Gemeindemitglied anzusprechen. Ich weiß, dass Gottes Wort uns dazu aufruft, die Last des anderen zu tragen und Mitgefühl füreinander zu haben. Wenn ich meinen Bruder oder meine Schwester in Christus anspreche, kann ich meine aufrichtige Sorge um sein oder ihr Wohlergehen zum Ausdruck bringen. Ich kann ihn oder sie wissen lassen, dass ich mich veranlasst fühle, nachzufragen, wie ich für ihn oder sie beten könne. Dies ist eine richtige Umsetzung von Gottes Wort, an dem sich mein Gewissen orientiert und das mich dazu bewegt, Gott zu gehorchen. Auf der anderen Seite wäre es nicht angemessen, zu diesem Bruder oder dieser Schwester zu gehen und folgendes sagen: „Gott hat mir gesagt, ich soll nach dir sehen und mich vergewissern, dass es dir gut geht.“ Wenn ich diesen Weg ginge, würde ich meine Beobachtung und meinen Wunsch praktisch auf die gleiche Ebene stellen wie eine Offenbarung von Gott – und nicht nur eine einfache praktische Anwendung davon.
Da wir diese Kategorien ablehnen, zu was können wir unsere Ratsuchenden stattdessen ermutigen? Wie sieht das aus?
- Studiere Gottes Wort. Unterschätze nicht, wie sehr du täglich in deiner Erkenntnis Gottes durch sein Wort wächst. Stelle dich unter die Autorität der Bibel. Staune darüber, dass Gott sich dafür entschieden hat, sich uns zu offenbaren. Lass dich das dazu leiten, dass du Gottes Wort liest, verstehst, glaubst, liebst und gehorchst.
- Alle klaren Gebote und Warnungen in der Bibel sind dazu bestimmt, entsprechend befolgt zu werden.
- Wenn in Gottes Wort keine direkte Antwort auf eine Frage zu finden ist, ziehe biblische und systematische Theologie zu Rate.
- Orientiere dich an Weisheitsprinzipien aus dem Wort Gottes und suche dir Rat von gottesfürchtigen Menschen.
Lass diesen Prozess der Fels sein, auf den du deine Entscheidungen aufbaust, sodass deine Gedanken, Begierden und alles was du erlebst, durch Gottes Wort richtig bewertet werden.
Über die Autorin:Paula Higuchi ist eine ACBC zertifizierte Biblische Seelsorgerin und Leiterin des Biblischen Seelsorge Zentrums auf Maui.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei ACBC
(https://biblicalcounseling.com/resource-library/articles/god-told-me-to/)
Übersetzt mit Genehmigung von der Association of Certified Biblical Counselors (ACBC). Die Qualität der Übersetzung obliegt der Verantwortung des Übersetzers. Copyright © 2020 Association of Certified Biblical Counselors. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, Vertrieb oder Übersetzung ohne die vorherige schriftliche Genehmigung von ACBC ist verboten.