Hinter dem, was wir in unserem Leben tun, steht das: Warum tun wir es? Edward T. Welch fordert dazu auf, dieses „Warum“ etwas genauer zu betrachten. Er gibt einen Einblick in unser Herz, das – Gottes Wort zufolge – die Quelle für alle unsere Motive ist.

Hier ein Ausschnitt aus dem Heft #3, der kleinen Seelsorge Reihe von 3L:

Motivationen
Warum tun wir, was wir tun?

Menschen sind vielschichtig. Man hat sie schon mit Eisbergen verglichen (bei denen sich unter der Oberfläche bedeutend mehr verbirgt) und mit Zwiebeln (die viele Schichten haben). Verhalten ist sichtbar – Motive sind es nicht.
Ein Kollege kann nett erscheinen, während er Sie die ganze Zeit dazu benutzt, die gesellschaftliche Leiter hinaufzuklettern. Eine Freundin kann mitunter gleichgültig wirken, wenn Sie ihr eine schmerzliche Erfahrung mitteilen, doch in Wirklichkeit hat sie schreckliche Angst, Sie durch falsche Worte zu verletzen. Ein erfolgreicher Sportler mag mächtig angeben und sich mit seinen Erfolgen brüsten auf dem Campus, während sich hinter seinem forschen Auftreten eigentlich nur die Bemühung verbirgt, die Ansichten seines Vaters auszuleben, nach denen man keine Schwäche zeigen darf. Niemand sieht, dass er in Angst lebt vor dem unberechenbaren Temperament seines Vaters.

Unsere sichtbaren Taten erzählen die eine Geschichte; unsere persönlichen Absichten können da eine ganz andere weitergeben. Hinter dem, „was wir aus unserem Leben machen“ – unseren Worten und Taten –, steht das „Warum wir es tun“ – unsere Motive.

Wahrscheinlich haben Sie sich über einige der „Warums“ Ihres Verhaltens schon einmal Gedanken gemacht.

Warum habe ich nicht nach dem Weg gefragt?
Warum habe ich diese Person geheiratet?
Warum habe ich gerade meinen ganzen Monatslohn auf ein Rennpferd verwettet?

Und hin und wieder sind es noch tiefere Fragen, die sich zu Wort melden.

Warum lebe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Oder allgemeiner gesagt: Warum tue ich, was ich tue?

Diese Fragen tauchen für gewöhnlich dann auf, wenn wir etwas bedauern, das wir getan haben. Ansonsten verweisen wir sie gern an den Rand unseres Lebens.
Der Zweck dieses Buches ist es, etwas genauer in Augenschein zu nehmen, warum wir die Dinge tun, die wir tun.

Motivationen sind wichtig

Auch wenn wir uns nicht immer Gedanken über sie machen – Motivationen sind wichtig. Sie sind der Grund, warum wir Robin Hood mögen und den Sheriff von Nottingham verachten. Robin Hood mag der Geächtete sein, aber seine Motivation war edelmütig.
Wenn sich ein Ehemann mit der besten Freundin seiner Frau trifft, um von ihr zu erfahren, was er seiner Frau schenken könnte, rechnen wir ihm das hoch an. Aber wenn er die Absicht hat, mit ihr eine Affäre anzufangen, ist er ganz klar ein Schuft.
Eltern sind nicht an einem automatischen oder im Zorn ausgeübten Gehorsam ihrer Kinder interessiert. Ihnen geht es um die Einstellung ihres Kindes, mit anderen Worten, um seine Motivation. Eltern ist es wichtig, was ihre Kinder tun – und warum.

Oder denken wir einmal an den Bereich der Abhängigkeiten. Sei es Essen, Sex, Drogen oder Alkohol – eine Abhängigkeit scheint zwangsläufig zu sein. Der Abhängige ist wie gefangen. Nach dem Warum? zu fragen, erscheint genauso albern, wie die Frage: „Warum hast du dich erkältet?“ Doch auch hier ist die Motivation wichtig. Hinter dem abhängigen Verhalten stehen Verlangen und Wünsche. Abhängige mögen Sklaven ihrer Sucht sein, aber zu einem gewissen Grad sind sie es freiwillig. Ihre Motivation, weiterzumachen, besteht darin, Komfort, Vergnügen, Macht, vorübergehende Schmerzfreiheit, Rache, Autonomie und Ähnliches zu erlangen. Wenn man diese möglichen Motive ignoriert, überlässt man die Menschen der Willkür ihrer süchtigen Begierden. Selbst wenn sie sich enthalten oder sich unter Kontrolle haben, werden ihre Anstrengungen nicht ausreichen, um ihre fundamentalen Motivation zu ändern.

Anders gesagt: Motive sind nicht nur bedeutsam, sondern in vielen Situationen müssen sie ans Licht gebracht und verändert werden. Wenn sich unsere Motivation nicht ändert, dann verändern wir uns auch nicht.

Beispiele von Motiven

Eine Liste von möglichen Motiven würde wohl endlos werden, aber es gibt ungefähr ein Dutzend, die besonders häufig auftreten. Um herauszufinden, wodurch Sie motiviert werden, stellen Sie sich einmal folgende Fragen: „Was motiviert mich?“ „Warum tue ich, was ich tue?“ oder noch besser: „Was will ich wirklich? Wenn ich nicht _________ habe, dann geht es mir schlecht.“ Hier sind einige mögliche Antworten:

  • Vergnügen
  • Macht
  • Freiheit/ Autonomie
  • Frieden
  • Liebe/ Intimität
  • Freude
  • Bedeutung/ Ruf
  • Bequemlichkeit
  • Respekt/ Bewunderung
  • Sinn
  • Kontrolle
  • Erfolg

Jedes dieser Motive hat sie vermutlich zu irgendeinem Zeitpunkt einmal veranlasst, etwas zu tun, aber manche Leute haben ihre Spezialgebiete.

  • Der Mann, der immer dann zu spät oder unerreichbar ist, wenn es Arbeit zu tun gibt, könnte von Bequemlichkeit motiviert sein.
  • Die Ehefrau, der es furchtbar peinlich ist, wenn ein Überraschungsgast die Unordnung in ihrem Haus sieht, will ihren guten Ruf nicht verlieren.
  • Der Vater, dessen Kinder verängstigt sind und dessen Frau vorsichtig ist, sucht Macht.
  • Der Teenager, der sich aufregt, egal, um welche Zeit er zu Hause sein soll, will Freiheit.
  • Die Mutter, die für ihre Kinder nie einen Babysitter engagiert, sucht Kontrolle.

Das Ganze wird noch komplizierter durch die Tatsache, dass es für ein Verhalten oft mehrere Motive gibt. Der Mann, der sich vor der Arbeit drückt, kann faul und bequem sein, aber er könnte genauso gut Respekt, Erfolg und Bedeutung suchen. Er geht der Arbeit aus dem Weg, weil er Angst hat, etwas falsch zu machen und die Ehre bei den anderen zu verlieren.

Denken Sie an den Teenager, der keinem außer sich selbst verantwortlich sein will und immer nörgelt, wenn die Eltern etwas von ihm wollen. Sein Inneres ist nicht so einfach gestrickt. Er könnte sich nach Unabhängigkeit sehnen, weil ihn die anderen cool finden, wenn er sich gegen seine Eltern auflehnt. Vielleicht drängt ihn das Bedürfnis nach Liebe und er will mit Freunden unterwegs sein, um schneller eine/n Freund/in zu finden. Es kann auch sein, dass er seinen Eltern sagen will: „Könnt ihr mich noch lieben, auch wenn ich nicht perfekt bin?“

Gottes Wort und Motivation

In diesem Punkt brauchen wir mehr Orientierung. Wir wissen, dass Motive wichtig sind, aber je mehr wir sie auseinandernehmen, umso komplexer werden sie.
Und was geschieht, wenn wir uns einiger unserer Motive bewusst werden und sie verstehen? Wird Einsicht uns helfen? Ist Einsicht allein genug, uns zu verändern?
Wir brauchen das Wort Gottes, um uns weiter zu bringen, als wir alleine schaffen können. In Anbetracht der Tatsache, dass Motive einen so wesentlichen Teil unseres Lebens ausmachen, sollte man meinen, dass Gottes Wort etwas darüber zu sagen hat, und so ist es in der Tat. Im Grunde genommen geht es in der gesamten Bibel um Motivation.

Auf das Herz kommt es an

Das Schlüsselwort hier ist das Herz. Im Wort Gottes ist das Herz der Sitz aller menschlichen Motivationen. Aus dem Herzen entspringt das Leben (s. Spr 4,23), es ist die Wurzel, die bestimmt, ob der Baum gute oder schlechte Früchte trägt (s. Jer 17,5-8; Lk 6,43-45). Das Herz ist unser wahres Ich. Das Wort Herz kommt ungefähr 1.000 Mal in der Bibel vor und kann eine ganze Bandbreite von Bedeutungen haben, doch im Kern steht es für unsere Motive.

Einfach gesagt, die Grundmotivation unseres Herzens lautet: „ICH WILL.“ „Ich will Komfort, Macht, Vergnügen, Kontrolle … für mich selbst, gegen Gott.“ Das Herz ist von Natur aus selbstsüchtig. Es will, was immer es will, wann immer es will. Es will von Gott weder Begrenzungen noch Richtung. Wenn unser Herz von Gott selber verändert wird, dann werden die selbstsüchtigen und antigöttlichen Motive nicht einfach ausradiert, aber sie werden allmählich von dem Verlangen ersetzt, Gott zu lieben und für ihn zu leben.

Auf den ersten Blick mag diese Beschreibung nicht Ihren Erfahrungen entsprechen. Es kommt einem nicht so vor, als ginge es im Leben immer nur um Gott. Manche Menschen haben von dem wahren Gott noch nicht einmal etwas gehört; wie kann ihr Verhalten also irgendetwas mit ihm zu tun haben? Wie dem auch sei, Sie müssen nicht bewusst über Gott nachdenken, um für oder gegen ihn zu sein.
Wenn ein Teenager die Regeln seiner Eltern verletzt, kommt es ihm nicht immer so vor, als rebelliere er gegen seine Eltern. Er scheint einfach das zu tun, was er tun will. Der Ungehorsam war nichts „Persönliches“, und doch war er persönlich. Er war ein Verlangen nach Freiheit gegen die Autorität der Eltern.

Oder denken wir einmal an Internetpornografie. Manche Leute fühlen sich zwar nicht ganz so wohl dabei und es mag auch nicht ganz anständig sein, aber es scheint niemandem zu schaden. Es tut niemandem weh und es ist einfach ein kleines Vergnügen. Aber die Realität geht tiefer als das. Menschen werden dadurch verletzt und es richtet sich gegen den Ehepartner. Es bricht das Eheversprechen, das man sich gab, und richtet sich vorrübergehend gegen die eheliche Loyalität. Wer Pornografie liebt, sagt eigentlich, dass ihm sein Ehepartner seine Wünsche nicht erfüllen kann und er sich somit dem mentalen Verrat hingeben darf, um die Befriedigung zu finden, nach der er sich sehnt. Wenn man dem Herzen noch tiefer auf den Grund geht, dann richtet sich ein solches Verhalten gegen Gott. Es sagt, dass Gott entweder blind oder weit weg ist. Denn wer würde so etwas tun, wenn er sich in der Gegenwart des Königs glaubte? Wer Pornografie liebt, impliziert, dass Gott nur eine Person ist, die begrenzt ist in ihrem Tun und darin, wo sie ist. Hinzu kommt, dass, wenn Gott sagt: „Seid heilig, denn ich bin heilig“, der Pornografieliebhaber entgegensetzt: „Nicht jetzt.“ oder „Später.“ Seine Antwort stellt das Gebot des Königs, sexuelle Reinheit zu erstreben, als einen simplen Vorschlag dar.

Diese Beispiele machen deutlich, dass unser ganzes Leben persönlich ist. Ob wir bewusst darüber nachdenken oder nicht, wir wissen um diesen Gott (s. Röm 1,21), den Erforscher der Herzen (s. Jer 17,10). Wir haben nicht nur eine verschwommene Ahnung, dass es einen Gott gibt oder eine „höhere Macht“. Die Bibel sagt, dass wir in unserem Herzen ein persönliches Wissen von dem Gott haben, der wahrhaft existiert. Das Problem besteht eher darin, dass wir seine aufdringliche oder Unruhe stiftende Art nicht immer mögen und versuchen, sie zu ignorieren. Wir unterdrücken die Wahrheit, die wir kennen (s. Röm 1,18-21).

Doch wir sind nicht immer blind in Bezug auf diese Motive. Denn wenn wir durch besonders harte Zeiten gehen, kommen plötzlich unsere „göttlichen“ Motive oft an die Oberfläche. Wir ertappen uns dabei zu sagen: „Gott, womit hab’ ich das verdient? Wie kannst du mir das antun?“ Die schwierigen Zeiten bringen unsere grundlegende Loyalität zum Vorschein. Leben wir für Gott oder für uns selbst?
Sogar bei Atheisten erkennen wir ein Herz, das sich Gott zuneigt. Atheisten leben mitunter in einer tiefen Angst vor dem Tod, die zeigt, dass sie auf irgendeine Weise wissen, dass sie eines Tages dem lebendigen Gott gegenüberstehen werden. Oder sie lassen sich ihre Zukunft aus der Hand lesen, wodurch sie stillschweigend anerkennen, dass es einen überirdischen Plan gibt und es möglicherweise nicht gut steht um sie. Dieses Verhalten ist wie ein Echo von Motivationen, die sich an Gott orientieren. In ihren Herzen existiert die Frage: „Werde ich unabhängig von Gott leben oder werde ich ihn als Herrn anerkennen?“
Zugegeben, wir sind uns dieser Motive nicht immer bewusst, aber das heißt nicht, dass sie nicht existieren. Alle unsere Motive sind schwer zu sehen.

Denken Sie einmal an die alten Israeliten. In 4.Mose 14 hatten sie gerade unvergleichliche Wunder gesehen von dem Gott, der sie als sein eigenes Volk erwählt hatte. Nachdem er sie aus der ägyptischen Gefangenschaft geführt und Pharaos Armee vernichtet hatte, gab Gott ihnen ein neues, fruchtbares Land. Das Problem war, dass die Einwohner dieses Landes dachten, es sei ihres und es nicht kampflos hergeben wollten.
Die Spione, die das Land erkundeten, kamen mit einem zweigeteilten Bericht zurück: Das Land war ideal, aber seine Bewohner waren sehr mächtig. An diesem Punkt fing das Volk an, sich zu beschweren und zu murren. „Da erhob die ganze Gemeinde ihre Stimme und schrie, und das Volk weinte in dieser Nacht. Und alle Kinder Israels murrten gegen Mose und Aaron; und die ganze Gemeinde sprach zu ihnen: Ach, dass wir doch im Land Ägypten gestorben wären, oder noch in dieser Wüste sterben würden!“ (4.Mose 14,1-2).

In diesem Fall scheint der Vorwurf legal zu sein. Mose und Aaron hatten das Volk in ein Land geführt, in dem mächtige Krieger lebten. Das Volk Israel hingegen war geübter im Herstellen von Ziegel als in der Kriegsführung. Wer würde sich da nicht beschweren? Ihre Motivation war einfach: Sie wollten leben! Sie überlegten sich, dass ein Leben in Gefangenschaft immer noch besser war, als gar keins, worin ihnen sicher die meisten von uns Recht geben würden. Das war der Grund, warum sie sich bei Mose und Aaron beschwerten.
Aber ihre Motive lagen tiefer.

„Und der HERR sprach zu Mose: Wie lange noch will mich dieses Volk verachten? … Wie lange soll ich diese böse Gemeinde dulden, die gegen mich murrt?“ (4.Mose 14, 11.27).

Da ist sie, die Frage, die das Herz fortwährend bewegt: „Wem willst du folgen, vertrauen und wen ehren?“
Das Volk beschwerte sich über Gott. Gott selbst war ihr Führer, ihr Vater, der ihnen das Land versprochen hatte und sie in die Schlacht führen wollte. Er hatte schon die Ägypter besiegt, ohne dass ein Israelit sein Schwert hatte ziehen müssen. Er kümmerte sich um ihren täglichen Bedarf. In diesem Zusammenhang hatte die Frage Israels nach dem Warum nur mit Gott zu tun. Mose hatte schon in einem früheren Zusammenhang darauf hingewiesen:

„Euer Murren richtet sich nicht gegen uns, sondern gegen den HERRN“ (2.Mose 16,8).

Wir können die Motivation hinter ihrem Nörgeln so wiedergeben: „Gott, wir halten dich nicht für mächtig. Wir denken nicht, dass du gut bist. Du hast uns nicht alles gegeben, was wir wollten, als wir es wollten.“ Ihre Motive richteten sich gegen Gott. Das Ereignis lässt sich folgendermaßen aufgliedern:

Unsere Umstände
(Die Schwierigkeiten in der Wüste)

Unsere Worte und Taten
(Beschwerde und Nörgeln)

Unsere oberflächlichen Motive – persönliche Wünsche, wie z.B. Bedeutung, Sicherheit oder Liebe
(Wir wollen lieber in Ägypten leben als in der Wüste sterben)

Unsere tieferen Motive – geht es um uns oder um andere?
(Wie kann Mose es wagen, uns nicht das zu geben, was wir wollen?)

Unsere tiefsten Motive – geht es um uns oder um Gott?
(Wir sind sauer auf Gott)

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