Biblische Seelsorger als Bibelexperten

Um Menschen seelsorglich gut zu begleiten, müssen wir verstehen wer unser Gott ist und was er uns sagt.

Von: Elisabeth Allan

Lesezeit – 3 Minuten

Sie saß mir gegenüber und war zu schwermütig, um zu weinen. Ich saß still da und schenkte ihr eine weitere Tasse heißen Tee ein. Schließlich schaute sie mich mit ihren dunklen Augen an und sagte: „Meine kleine Tochter ist todkrank und es ist alles meine Schuld.“

Obwohl ich äußerlich ruhig blieb gingen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf.

Hatte sie ihrer Tochter versehentlich etwas zu essen gegeben, gegen das sie allergisch war? Hatte sie sie vergiftet? Wurde sie missbraucht? Was um alles in der Welt war hier los? Ich betete verzweifelt um Führung und fragte sanft: „Auf welche Weise?“

„Ich habe nicht genug Glauben.“ Sie sackte in dem weichen Sessel zusammen. „Ich habe nicht genug Glauben, um sie zu heilen.“

Ich konnte meine Verwirrung nicht verbergen; sie sah es mir an und fuhr ungeduldig fort: „Du weißt doch, ‚…durch seine Striemen sind wir geheilt.’ So steht es im 1. Petrus. Und ich glaube wohl nicht fest genug daran, denn sie wurde nicht geheilt.“

Jetzt wurde mir alles klar und ich bat sie mit mir zusammen die Bibel aufzuschlagen und den ersten Petrusbrief anzuschauen.

Sie zeigte auf die 1. Petrus 2, 24 Stelle und las die zweite Hälfte vor: „Siehst du, da steht es! Es ist meine Schuld!“

„Bitte“, sagte ich, „lass uns hier ein paar Schritte zurückgehen.“

Ich benutze dieses Beispiel um zu verdeutlichen, warum es für biblische Seelsorger so wichtig ist, sich gut mit der Bibel auszukennen. Deshalb ist es in der Seelsorgeausbildung wichtig, sich sowohl mit der Theologie als auch der Praxis auseinanderzusetzen (wie bei einer ACBC-Zertifizierung in den USA). Um Menschen gut seelsorgerlich begleiten zu können, müssen wir verstehen wer unser Gott ist und was er sagt.

Die Notwendigkeit einer theologischen Ausbildung

Viele unserer Ratsuchenden kommen zu uns, weil sie unter falschem Verständnis, schlechter Lehre, schlechter Theologie und in manchen Fällen unter falschen Anwendungen leiden, weil jemand Gottes Wort verdreht hat, um Kontrolle über sie zu erlangen. Wir müssen nicht nur bereit sein, ihnen zu helfen etwas zu verstehen, sondern wir müssen auch die Gelegenheit ergreifen, ihnen gute Hilfsmittel an die Hand zu geben, um sein Wort selbst zu lesen und zu verstehen.

Wir müssen systematische Theologie, zeitliche Zusammenhänge, Genus, Autor, Zuhörer und die ursprüngliche Absicht des Autors verstehen, ehe wir vorschnell versuchen, den Text für den Ratsuchenden in seiner Situation anzuwenden.

Unser seelsorglicher Rat sollte das Anliegen des Textabschnittes widerspiegeln.

Wir führen Ratsuchende anfangs vielleicht nicht immer durch diese Einzelschritte, aber mit der Zeit können wir sie lehren, dies selbst zu erkennen. 

Wie kann ich ihr helfen, die Bibel besser zu verstehen und ihr Hoffnung geben?

Wie könnte ich diese Frau, die ein gebrochenes Herz hat, begleiten? Indem wir  laut beten und den Heiligen Geist bitten, sein Wort verständlich zu machen –  fangen wir an, „Krankheit“ von seinem Wort her zu verstehen. Manchmal ist es wahr, dass wir durch Sünde krank werden können (Psalm 38), aber Krankheit entsteht nicht immer durch Sünde (wie im Buch Hiob oder 1. Timotheus 5, 23).

Was bedeutet also dieser Vers im 1. Petrus?

Wer schreibt den Brief an wen? Dies ist wichtig, um den Zweck des Briefes zu verstehen. Nach einem kurzen Überblick wäre die Hausaufgabe den ganzen Brief zu lesen. (Aus welchem herkömmlichen Brief würdest du nur eine einzige Zeile lesen?)

Eine theologische Erklärung für die heilende Anwendung  

Die Gespräche in der folgenden Woche sollten mit dem Thema des 1. Petrus und Gottes Absichten in unserem Leiden beginnen. Wenn wir uns den Vers ansehen, der so viel Schmerz verursacht hat, lernen wir, dass er nichts mit Gesundheit zu tun hat, sondern spiegelt das Leiden Jesu in seiner Rolle als leidender Knecht (Jesaja 53, 5) wider. Es richtet sich vor allem an Sklaven, die unter den Händen eines ungerechten Herrn leiden. Petrus fordert sie auf, auf gute Weise zu leiden, um so das Leiden Christi widerzuspiegeln, damit der Herr des Sklaven eines Tages zum rettenden Glauben kommt.

Ich erklärte ihr, dass ich nicht weiß, ob Gott ihre Tochter heilen wird, aber wir können selbstverständlich darum bitten. Aber die Verheißung in 1. Petrus lautet, dass Gott durch unser Leiden wirkt, um uns dadurch zu heiligen und wie die Leidenden im 1. Petrus, ebenso zum Zeugnis werden lässt.

Nur durch sorgfältige Exegese kann ein biblischer Seelsorger einem leidenden Bruder oder Schwester klugen Rat geben. Es ist eine Freude unseren Gott, durch sorgfältiges und von Gebet begleitetem Studium seines Wortes, wirken zu sehen. Es ist ein wahrer Segen, wenn wir Ratsuchende darauf hinweisen, was Gott über sich sagt und wie sich das wiederum auf ihre Situation auswirkt.

Die Autorin, Elizabeth Allan, ist eine von ACBC zertifizierte biblische Seelsorgerin und Vorstandsmitglied des “One to One” Ausbildungszentrums in Albuquerque, New Mexico.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei ACBC (https://biblicalcounseling.com/resource-library/articles/the-biblical-counselor-as-a-biblical-scholar/)

Übersetzt mit Genehmigung von der Association of Certified Biblical Counselors (ACBC). Die Qualität der Übersetzung obliegt der Verantwortung des Übersetzers. Copyright © 2020 Association of Certified Biblical Counselors. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, Vertrieb oder Übersetzung ohne die vorherige schriftliche Genehmigung von ACBC ist verboten.